Vom magischen Wald zum Kloster

Magie: Heute hat sie für die meisten von uns einen romantisch-gruseligen Unterhaltungswert. Für unsere Vorfahren aber war sie noch ein Bestandteil des Alltags, wie Wetter und Krankheit einfach nicht daraus wegzudenken.

Der Augsburger Geschlechtertanz e.V., der sich nicht nur dem Tanz, sondern darüber hinaus der Erforschung und Bewahrung der Alltagskultur der Renaissance widmet, hat sein kulturelles Programm mit Vorträgen und Exkursionen für das Jahr 2015 unter das Motto 'Im Zeichen der Magie' gestellt.

Am 10. Mai 2015 fand eine Exkursion in den Eibenwald bei Paterzell statt, gefolgt von einem Besuch des Klosters Wessobrunn und der nahen 'Tassilolinde'.

Stefan Buß, unser pflanzen- und geschichtskundiges Mitglied, führte die Vereinsmitglieder und interessierten Gäste auf seine kompetente und zugleich humorvolle Art durch den Eibenwald.

 

 

Reine Eibenwälder gibt es in Europa seit der letzten Eiszeit nicht mehr; meist wachsen Eiben gemischt mit höheren Bäumen, weil sie sich in deren Schatten recht wohl fühlen. Schamanische Kulturen schreiben der Eibe große magische Kraft zu. Dass die Eibe allerdings im 16. Jahrhundert in Europa fast völlig ausgerottet war, hat keine magischen, sondern militärische Gründe: Aus Eibenholz baute man seit der Antike Langbögen, und im kriegerischen Mittelalter konnte mancher Landesherr davon gar nicht genug haben.

 

 

Einer der Gründe, warum ab dem 16. Jahrhundert in der europäischen Kriegsführung die Feuerwaffen dominierten, dürften die mangelnden Eibenbestände zur Bogenherstellung sein.

Der Eibenwald bei Paterzell blieb erhalten, weil er im Besitz des Klosters Wessobrunn war, und die Mönche nicht zuließen, dass aus ihren Holzbeständen Waffen hergestellt wurden.

Zwischen den Wurzeln der Paterzeller Eiben findet man noch kleine Bestände an Bärlapp, einem Bodenkraut, das in der Volksmedizin und Magie eine Rolle spielt. Heute steht der Bärlapp unter Naturschutz: In der Frühzeit der Fotografie wurde er fast ausgerottet, weil seine Sporen als Blitzpulver verwendet wurden.

Nach dem Besuch des Eibenwalds und einem guten Mittagessen – in einem Gasthof, der nicht völlig überraschend 'Zum Eibenwald' heißt – galt der nächste Besuch dem Kloster Wessobrunn. Hier wurde lange das älteste christliche Gedicht in deutscher Sprache aufbewahrt: Das 'Wessobrunner Gebet', entstanden im 9. Jahrhundert.

Heute befindet sich der Originaltext in der Bayrischen Staatsbibliothek in München. Die wunderschöne Klosteranlage ist nur noch in geringen Teilen zu besichtigen: Nach dem Auszug der letzten Mönche wurde das Kloster im Jahr 2014 an das Kosmetikunternehmen Gebhardt verkauft und ist wegen der neuen kommerziellen Nutzung der Gebäude für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.

Einen kleinen Spaziergang vom Kloster entfernt besuchten wir zum Abschluss die Tassilolinde. Sie ist benannt nach dem bairischen Herzog Tassilo aus dem 8. Jahrhundert, der einer Legende nach im Schatten dieser Linde im Traum den göttlichen Auftrag erhalten haben soll, das Kloster Wessobrunn zu gründen.

Obwohl die Linde schon einige Jahrhunderte dort steht und beachtliche Dimensionen erreicht hat, ist es doch nicht überzeugend, dass sie schon die Tage Herzog Tassilos gesehen hat.

Andererseits: Schließlich wächst sie in der Nähe des Eibenwalds, und der ist, wie wir wissen, voller Magie …

                                           Text und Bilder: Peter Gustav Bartschat